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Die 4. Internationale Karnivoren Konferenz in Tokyo - Ein Video für Professor Kondo
Hartmeyer, I. & Hartmeyer, S. (2003) TAUBLATT (GFP) 2003/1: 21-31

 
Blick auf Tokyo vom Hotel Kaiyo
Niemals Seife in das Badewasser gelangen lassen !

Nach Japan braucht die Lufthansa von Frankfurt aus etwa 11 Stunden. Das Jet lag muß dann sieben Stunden Zeitdifferenz aufarbeiten und mitgebrachte Geldbeutel verlieren in Rekord verdächtiger Zeit an Gewicht. Obwohl wir uns im Großstadtdschungel eher unwohl fühlen und keinen rohen Fisch mögen, fällt unsere Entscheidung, nach Tokyo zu fliegen, spontan. Der Grund ist ein Email von Prof. Dr. Katsuhiko Kondo (Universität Hiroshima, Japan), mit den sinngemäßen Worten: "Lieber Siggi, überrascht oder nicht, ich werde nächstes Jahr (2002) die "4th International Carnivorous Plant Conference" abhalten. Ich habe von euren Insektivoren-Exkursionen gehört und lade Dich im Namen des Organisations-Komitees zu einem Vortrag ein, Unterkunft für die Konferenztage und die Gebühren werden übernommen ... ich möchte euch wirklich gern hier haben. Grüße Katsu".

Bei vielen Insektivoren Freunden findet sich das ungewöhnliche Buch "Carnivorous Plants of the World in Color" von Katsuhiko und Masahiro Kondo, welches von hinten nach vorn gelesen werden muß, und trotz japanischer Schriftzeichen durch seine Bilder begeistert. Fachleute kennen Katsuhiko Kondos Veröffentlichungen zur Sonnentau Sektion Lasiocephala und seine anspruchsvollen Arbeiten über Insektivoren am Laboratory of Plant Chromosome and Gene Stock an der Graduate School of Science der Hiroshima University (offizielle Adresse). Wir hatten Prof. Kondo zwar zur 3. ICPS Konferenz 2000 in San Francisco kennengelernt, sind jedoch völlig überrascht von dieser unerwarteten Einladung.

Irmgard findet in einem ADAC Heft die empfehlenswerte Email Adresse der Japanischen Fremdenverkehrszentrale (fra@jnto.de), denn dort gibt es gratis Unterlagen für Japanreisende. Stadtplan, Airlines, Hotels, wichtige Redewendungen und Tips kamen per Post schon nach zwei Tagen. Mit dem Buch "Kulturschock Japan" (Martin Lutterjohann, ISBN 3-89416-055-1) versuchten wir uns zusätzlich etwas auf denselben vorzubereiten. Hinweise wie: ... niemals in der Öffentlichkeit die Nase putzen ... niemals Seife in das Badewasser gelangen lassen ... die Toiletten-Pantoffeln nach dem Verlassen derselben immer wieder richtig herum hinstellen ... Visitenkarten mit beiden Händen überreichen und annehmen, dann lange und ausgiebig betrachten, und um Gottes Willen nicht in die Hosentasche stecken ... ! Wir waren doch etwas verunsichert ...

Plakat ICPS Tokyo

Das Plakat zur Konferenz
Die Konferenz rückt näher

Am Abend vor unserem Abflug erfahren wir beruhigender Weise noch per Email, daß wir vom Flughafen Narita abgeholt und mit der Bahn (knapp zwei Stunden Fahrt !!) in unser Hotel im Bezirk Shinyuku gebracht werden. Wir spüren erstmalig, wie sehr Prof. Kondo um eine gute Organisation bemüht ist. Als wir dann endlich morgens, bei herrlichem Wetter in Tokyo landen, sind wir doch schmunzelnd überrascht, als nach dem Zoll einer seiner Mitarbeiter, Herr Noboru Takada, mit dem Schild "Professor Siegfried Hartmeyer" wartet, um uns wie zugesagt, in unser Hotel Kaiyo zu bringen. Dies liegt nur sechs Minuten zu Fuß vom National Science Museum entfernt, wo am 21. Juni die 4. Karnivoren Konferenz beginnen soll. Gemeinsam organisiert von der International Carnivorous Plant Society (ICPS, USA) und der Insectivorous Plant Society (IPS, Japan), unter der Leitung von Prof. Kondo.

Ebenfalls im Hotel Kayo wohnen Dr. Jan Schlauer und seine frisch angetraute Frau Kirsten. Jan ist ebenfalls zu einem Vortrag eingeladen und wird zusätzlich zeitweise die Moderation übernehmen. Auf dem Weg zur Konferenz treffen wir am Morgen des 21. Juni auf Thomas Carow, Dr. Peter Harbarth und Dr. Andreas Wistuba, die gemeinsam im Vorjahr die neue Heliamphora folliculata entdeckt und beschrieben haben. Auch sie sind zu einem Vortrag eingeladen, den Andreas am letzten der drei Konferenztage halten wird. Mit ihnen kommt auch Romuald Anfraix, der amtierende Präsident der französischen Karnivoren Gesellschaft "Dionée", ein regelmäßiger Gast auch auf deutschen und schweizerischen Insektivoren Treffen. Wenige Schritte weiter, sehen wir bereits die etwa 3 m große Tafel neben der Einfahrt des "Nationalen Museums der Wissenschaften", mit der Abbildung des Skeletts eines Plesiosaurus. Auf dem Vorhof zeigen uns Schilder den Weg zur 4. Karnivoren Konferenz.
Hinter dem Eingang ist eine Art Empfangshalle eingerichtet, wo ein zentrales Arrangement von Nepenthes und Sarracenia klar zeigt, welches Thema angesagt ist. Plakate mit japanischen Schriftzeichen erklären alles, denn die Ausstellungen und der Pflanzenverkauf sind auch der Öffentlichkeit zugänglich. Zu den 140 registrierten Teilnehmern werden so in diesen Tagen noch weitere 250 Besucher dieses Angebot nutzen. An einem Tisch werden die Anmeldungsformalitäten erledigt. Hier können auch die bereits fertig auf Qualitätspapier gedruckten "Proceedings" gekauft werden, in denen alle Vorträge nachzulesen, und mit Tabellen, sowie Farbfotos ergänzt sind. In den Konferenzgebühren von US$ 100,- sind diese und die Teilnahme an einem Bankett am 2. Abend mit inbegriffen.
Ein Video für Professor Kondo

Mit Treppe oder Lift geht es in die nächste Etage, wo eine "Postershow" aufgebaut ist. Auf mehreren großen Pinwänden, stellen verschiedene Autoren ihre Arbeiten über Insektivoren in englischem Wort und Bild dar. Darunter auch ein Bericht über australische Triggerplants (Stylidium) von Dr. Douglas Darnowski (USA). Wir kommen gleich mit ihm ins Gespräch, da wir uns vor zwei Jahren in San Francisco kennenlernten und in dem bekannten Australier Greg Bourke, der in seinem Gewächshaus bei Sydney auch Knollendrosera künstlich vermehrt, einen gemeinsamen Bekannten haben.
Robert Cantley am Stand von Borneo Exotics
Doch rasch müssen wir weiter nach oben. Im 2. OG ist die Abteilung Pflanzenverkauf eingerichtet. Robert Cantley ist am Stand seiner Borneo Exotics (Sri Lanka) voll beschäftigt, hier gibt es neben Nepenthes die exzellenten Bücher von Charles Clarke, der persönlich daneben steht und auf Wunsch signiert. Ch'ien Lee ist voll im Einsatz für seine Malaysiana Tropicals (Borneo) und bietet sogar die seltene Nepenthes campanulata aus Zellkultur an. Auch Andreas Wistuba ist mit seinem weltbekannten Angebot an Nepenthes dabei, und neben weiteren Ständen aus Japan und Korea, bieten Tina und Colin Clayton (Australien) Literatur an. Darunter das 1. Werk (von Dreien), eines australischen Autors, zum "Schnäppchenpreis" von US$ 1000 (oder YEN 70'000). Obwohl noch überall aufgebaut wird, drängen sich die Interessenten um die Verkaufstische.

Wir gehen die Treppe hoch in das 3. OG, schließlich wollen wir die Kamera noch aufbauen. Dort, vor dem Konferenzraum, befinden sich mehrere Tische, auf denen es nicht nur Informationen zur Konferenz und zum anschließenden Ausflug auf den Mount Koshin gibt, nein: Getränke wie Tee, Kaffee, Wasser, etc., sowie Schokoriegel, Plätzchen, Nüsse und mehr stehen während der ganzen Konferenz gratis zur Verfügung. Wir suchen uns im Saal einen geeigneten Platz für die Kamera, stellen sie aufs Stativ und zielen mit unserem Richtmikrofon auf einen Lautsprecher neben der Bühne. Dennoch gehen die Eröffnungsworte von Prof. Kondo (Konferenzleitung), Prof. Dr. Tatsuo Konishi (National Science Museum) und Prof. Dr. Sadashi Komiya (Vorsitzender der IPS), leider weitgehend im Rascheln der Plastiktüten unter, aus welchen die nun noch eintreffenden Teilnehmer ihre Unterlagen kramen. Siggi ist das besonders unangenehm, da er von Prof. Kondo nur wenig später gebeten wird, doch ein offizielles Video über die Konferenz zu drehen. Dafür benötigt man eigentlich mindestens zwei Kameras und einen direkten Anschluß an die Tonanlage, aber das große Vertrauen spornt natürlich auch an, das Bestmögliche daraus zu machen.

Professor Kondo (weißes Hemd) organisiert die Konferenz
Freitag 21. Juni 2002, der erste Tag

Inzwischen hat Dr. Charles Clarke (Hongkong, China) die Bühne betreten und berichtet über persönliche Höhepunkte aus 12 Jahren Forschung an Nepenthes in Südostasien. Dabei zeigt er u.a. mit Dias und Computer-Diagrammen auch die in den Kannen von Nepenthes bicalcarata und N. rafflesiana lebenden Insekten und Spinnen. Der halbstündige Vortrag endet mit Dias von der neu beschriebenen N. jacquelineae und seiner Frau, nach der er die Art benannte. Bereits als die ersten Dias und Diagramme gezeigt werden, sind wir in Bezug auf die Bildqualität mehr als beruhigt. Wir erleben die brillanteste Großbildprojektion für Dias, Computer und Video, die wir je gesehen haben. Ein weiteres Beispiel japanischer Perfektion.  
Auch der vorgegebene Zeitplan wird strikt eingehalten. Wenige Minuten vor Ablauf der jeweiligen Redezeit erklingt eine Glocke als Hinweis, und wenn sie zwei Mal läutet ist das eine klare Aufforderung, zum Ende zu gelangen. Die Technik funktioniert während der Konferenztage ausgezeichnet. Dafür verantwortlich ist Dr. Goro Kokubugata vom National Science Museum, der sich sogar schon Wochen vorher - via Prof. Kondo - bei uns rück- versichert hatte, daß wir unseren Videovortrag auch wirklich im japanischen NTSC-System mitbringen. Aber abgesehen von wirklich geringfügigen Verzögerungen beim Hochfahren einiger Laptops, hatte er alles ausgezeichnet im Griff.

Der nächste Redner ist Prof. Dr. Mitsuyasu Hasebe (National Institute for Basic Biology, Japan) mit einem Beitrag zur Stammesgeschichte der Droseraceae, basierend auf DNA-Sequenzen. Dieser recht anspruchsvolle Vortrag entstand in Zusammenarbeit mit Fernando Rivadavia, Prof. Dr. Katsuhiko Kondo und Prof. Dr. Masahiro Kato. Wie immer folgen Fragen und Antworten, danach ist Frühstückspause. Auf allen Stockwerken entwickeln sich jetzt rege Diskussionen, wobei das Zeremoniell der Visitenkartenübergabe ausgiebig zum Zuge kommt. Aus dem Verkaufsraum dringt hektisches Stimmengewirr und vor dem Konferenzraum werden die gratis offerierten Drinks und Snacks gern angenommen. Die Zeit verfliegt nur so, da geht es schon weiter im Programm. Dr. Jummat Adams (University of Kebangsaan, Malaysia) ist an der Reihe. Er berichtet über Nepenthes-Populationen in Sipitang (Sabah, Malaysia), wobei es wiederum interessante Dias zu sehen gibt. Im Anschluß folgt noch ein Videovortrag über Nepenthes in Sumatra und Borneo, von Prof. Dr. Mitsuro Hotta (Universität Kagoshima), einem berühmten Veteran der japanischen Insektivoren-Forschung. Er zeigt in seinem 15 Minuten Film die Biotope der Pflanzen, aber auch den Mikrokosmos im Inneren der Kannen. 

Naoki Tanabe (rotes Hemd) und JCPS* - Mitglieder(*JCPS = Japanese Carnivorous Plant Society)
In der Mittagspause verteilen sich die Teilnehmer auf zahlreiche Restaurants in der Umgebung. Die angebotenen Speisen sind hier alle als Plastiknachbildung im Fenster oder einer Vitrine ausgestellt. Auch ohne Sprachkenntnisse kann man so einfach auf den gewünschten Teller zeigen, neben dem auch der Preis angeschrieben ist. Zum Glück verwenden die Japaner die gleichen Zahlen wie wir, was auch das Bezahlen wesentlich erleichtert, da der Betrag auf der Kasse oder einem Taschenrechner abgelesen werden kann. Wir suchen uns ein kleines Restaurant in der Nähe unseres Hotels aus, wo die Preise verhältnismäßig günstig sind und das Plastikessen im Fenster teils recht lecker aussieht. Wir fragen uns, ob das Gemenge neben dem ausgewählten Schnitzel wohl Glasnudeln oder Sojasprossen sind ? Nun, es entpuppt sich in der Realität als frischer, fein geschnittener Weißkohl. Dazu gibt es Suppe, Reis und sauer eingelegte Rettiche. Es schmeckt lecker und bekommt uns ausgezeichnet, auch der Preis von 700 Yen, mit 15 % Steuern etwa € 7,- pro Person ist ein echtes Schnäppchen. Im Hotelrestaurant wären € 50,- pro Person sicher weg gewesen. Wer japanisches Rindfleisch auf der heißen Platte zubereitet haben möchte, kann dafür auch locker € 150,- (ohne Getränke und Beilagen) hinblättern. Die Preise der kleineren Restaurants ähneln denen in der Schweiz. Handeln ist in Japan übrigens genauso unüblich wie das Geben von Trinkgeldern. Gestärkt kehren wir zurück zur Konferenz.
Den nächsten Vortrag hält Ch'ien Lee (Malaysia), der mit seiner Firma Malaysiana Tropicals in Borneo Nepenthes aus Zellkulturen züchtet und mit Zertifikat in alle Welt verschickt. Er berichtet in faszinierenden Bildern über Nepenthes in den wenig erforschten Hose Mountains in Sarawak (Borneo) und zeigt abschließend, wie schon 2000 in San Francisco, noch Bilder vom Standort der erst vor wenigen Jahren wieder entdeckten N. campanulata. Ihm folgt Prof. Dr. Yoshikazu Hoshi (Ariake National College of Technology) mit einem sehr wissenschaftlichen Bericht über polyploide und pneuploide Chromosomen von Drosera. Um diesen Beitrag ganz zu verstehen wird auch Siggi nach unserer Heimkehr in den "Proceedings" nachlesen müssen. Die gezielten Fragen im Anschluß zeugten jedoch von der hohen fachlichen Kompetenz der Zuschauer.

Es folgt Dr. Douglas Darnowski (Washington College, USA) mit seinem sehr interessanten Vortrag über Aldrovanda vesiculosa, begleitet von einer gelungenen Powerpoint Präsentation mit aufschlußreichen Bildern der Wasserfalle und ihrer Beutetiere. Douglas ist jedoch früher als vorgesehen fertig und so nutzt Siggi die Zeit, um nochmals in die Unterlagen zu schauen. Denn er soll als nächstes unseren gemeinsam erstellten Vortrag halten, für den wir als Vorgabe 1/2 Stunde Zeit hatten. Da kommt auch schon Prof. Kondo auf uns zu und fragt Siggi strahlend, ob er denn nicht auch eine ganze Stunde füllen könnte, da der Zeitplan das zuläßt. Thomas Carow, der dies mitbekommt, meint lächelnd:"... einfach mit halber Geschwindigkeit reden ...", aber als die Schrecksekunde vorbei ist kann Siggi ebenfalls lächelnd antworten: "Kein Problem, wir zeigen einfach nach dem offiziellen Teil weitere Ausschnitte aus unserem Video "FLEISCHIMANIA". Zum Glück hatten wir einige Bänder auf NTSC-System wandeln lassen und mitgenommen. Prof. Kondo bedankte sich zufrieden, und nach einer kurzen Teepause übernimmt Irmgard die Kamera und Siggi begibt sich zur Bühne, wo Jan Schlauer als Moderator ihn vorstellt.

Siggi (Foto: Naoki Tanabe) stellt unseren Film FLEISCHIMANIA, mit der Geschichte von Drosera hartmeyerorum vor
Cover Fleischimania


D. hartmeyerorum in FLEISCHIMANIA
Von dort oben empfindet man einen vollen Saal mit so prominenter Besetzung völlig anders als zwischen den Zuschauern, besonders wenn es plötzlich ruhig wird und einen alle erwartungsvoll anschauen. Zur Wahl stehen zwei Funkmikrofone, wobei wir das kleine, welches an der Kleidung befestigt wird, bereits bei einigen Vorgängern hassen gelernt haben. Ist dieses zu tief angebracht, nützt auch die beste Verstärkeranlage nichts mehr und dem geplanten Film fehlt der Ton. Siggi wählt also das große Stabmikro und beginnt mit seinen fünf Minuten Sprechtext, wobei er später zugibt, zum ersten Mal Lampenfieber gehabt zu haben. Es folgt ein Film über unsere letzte Australientour, wo wir u.a. den einzigen Standort von Drosera schizandra auf dem Mount Bartle Frere besuchten. Wir wählten noch Szenen mit Byblis filifolia und Drosera ordensis aus, jeweils mit Symbiosewanzen, und natürlich darf die Geschichte von der Entdeckung "unseres Sonnentaus" Drosera hartmeyerorum und seiner gelben Emergenzen nicht fehlen. Wie von Prof. Kondo gewünscht, verlängern wir den Beitrag mit weiteren Ausschnitten aus unserem aktuellen Film auf eine Stunde, und werden durch ein begeistertes Publikum belohnt. Uns fällt ein Stein vom Herzen, denn auch Irmgard hatte die Kamera gut im Griff. Als bei den folgenden Fragen der Präsident der Insektivorenfreude der Mongolei uns einlädt, unseren Film auch dort zu zeigen, verschlägt es Siggi fast die Sprache. In den nächsten Jahren wird das aber wohl leider nichts werden ...

Pinguicula ramosa auf dem Vulkan Mount Koshin. Ein gelungenes Video von Dr. Chiaki Shibata.
Um 16.30 Uhr folgt ein Videobeitrag von Dr. Chiaki Shibata (Insectivorous Plant Society, Japan), auf den viele gewartet haben. Nach der Konferenz steht nämlich ein 2-tägiger Ausflug zu der, in Japan endemischen Pinguicula ramosa auf dem Vulkan Mount Koshin auf dem Programm. Alle Teilnehmer sind natürlich gespannt auf das bevorstehende Szenario. Frau Shibatas Film, der gut editiert und mit Musik unterlegt ist, zeigt in gelungenen Einstellungen genau diesen Standort, sowie den Aufstieg zu verschiedenen Jahreszeiten. Das Publikum ist wiederum begeistert, wenngleich einige Teilnehmer, aufgrund des teils recht schwierigen Aufstiegs, leichte Sorgenfalten zeigen. Nach den Fragen zum Film beendet Prof. Kondo den ersten Tag im National Science Museum mit dem Hinweis, daß ab etwa 19.00 Uhr im National Olympic Memorial Youth Center - wenige Bahnminuten entfernt - noch ein Workshop abgehalten wird. Gegen die ständige Konzentration auf die Kamera und den eigenen Vortrag, protestiert Siggis Tinnitus jedoch im wahrsten Sinne des Wortes so lautstark, daß wir beide froh sind, in unser gut isoliertes Zimmer im Kaiyo zurückkehren zu können. Wir gönnen uns noch ein Essen im Hotel und gehen früh schlafen, denn nur Ruhe kann die stressbedingten Lärmattacken reduzieren.

Samstag 22. Juni 2002, der zweite Tag

Um 7 Uhr morgens klingelt der Wecker. Wir machen uns parat und beginnen den Tag sparsam. Zur Begrüßung fanden wir eine Schale mit tropischem Obst im Zimmer vor, das wir mit Pumpernickel Brot aus good old Germany nun verzehren. Dazu gibt es gratis Tee, der inklusive Teekocher ebenfalls vorhanden war. Das schmeckt und spart schon am frühen Morgen ansehnliche € 23,- (pro Person) für ein "American Breakfast" im Hotel. Nachdem wir die frisch geladenen Akkus und einige Videokassetten in den Kamerarucksack gepackt haben, kann es los gehen. Konferenzbeginn ist 8.30 Uhr, aber natürlich möchte man sich vorher noch ein wenig mit Freunden unterhalten. So hatten wir gestern erstmalig persönlich den sympathischen, langjährigen Präsidenten der zweiten japanischen Insektivorengesellschaft Japanese Carnivorous Plant Society (JCPS), Naoki Tanabe getroffen, und begrüßten uns wie alte Freunde. Seit über 10 Jahren hatten wir bereits per Brief und E-mail Kontakt, da Siggi dort Mitglied ist. Die JCPS gibt vierteljährlich ein Bulletin in englischer Sprache heraus, was sie auch in anderen Ländern interessant macht.

Eine hochinteressante Powerpoint und Dia-Präsentation von Prof. Dr. Daniel M. Joël
über Gemeinsamkeiten parasitärer und karnivorer Pflanzenarten
Pünktlich beginnt der erste Vortrag, in dem Prof. Dr. Daniel M. Joel (Newe-Ya'ar Research Center, Israel) auf die Phänomene Karnivorie und Parasitismus bei Pflanzen eingeht. Schon nach den ersten Minuten voller eindrücklicher Bilder gelingt es Daniel das Publikum zu fesseln. Nur relativ wenige Pflanzen können organische Nahrung direkt von anderen Organismen aufnehmen. Pflanzen welche in der Lage sind, sich an andere mit einem speziellen Organ anzuschließen, sind Parasiten. Pflanzen welche mit speziellen Organen Tiere fangen, sind Karnivoren. Was an Beobachtungen folgt ist so interessant, daß wir diesem Beitrag sicher einige Zeit auf unserem Konferenzvideo widmen werden. Um 9.00 Uhr betritt Dr. Jan Schlauer (Universität Tübingen, Deutschland) die Bühne und zeigt eine exzellente Powerpoint Präsentation über die weltweite Mannigfaltigkeit der Fleischfressenden Pflanzen. Beispielsweise sind auf einer Weltkarte die Verteilung der einzelnen Sektionen nacheinander farblich angezeigt, wodurch Zusammenhänge zur Verwandtschaft untereinander, und zum Ursprungsort der Gattungen, Sektionen und Arten verständlich werden. Nicht nur diejenigen, welche sich für Systematik interessieren, können hier viel lernen.

Yoshihiro Mino und Frau freuen sich genau wie wir
über die Begegnung (Foto: Thomas Carow)
Während der folgenden Frühstückspause trifft Irmgard im Treppenhaus auf den Japaner Yoshihiro Mino, ein Mitglied der JCPS, dem wir vor vielen Jahren in Sachen Nepenthes pervillei einige Tips für seine geplante Hochzeitsreise auf die Seychellen gaben. Es folgte ein Brief mit Bild der beiden frisch vermählten, aufgenommen an genau der Stelle des empfohlenen Standortes auf Mahé, der im Rahmen eines unserer Artikel auch im Carnivorous Plant Newsletter zu sehen war. Irmgard und Yoshi erkennen sich auf der Treppe sofort, worüber sich beide zusätzlich freuen. Als sie bei Siggi ankommen, zeigt Yoshi gleich ein kleines Fotoalbum, in dem genau das Bild zu sehen ist, das er uns damals schickte. Aber auch Siggi erkennt ihn sofort, und die Freude über das erste persönliche Zusammentreffen ist so groß, das wir ganz vergessen das Visitenkartenritual zu vollziehen.
Da ist auch schon die Pause beendet und Punkt 10.00 Uhr betritt Dr. Laurent Legendre (University of Western Sydney, Australien) die Bühne. Die Evolution der Karnivorie bei den Lentibulariaceae (Genlisea, Pinguicula, Utricularia) wird mit Detailzeichnungen und eindrucksvollen Bildern der Zellstrukturen in Fang- und Verdauungsorganen verständlich gemacht. Die ebenfalls gezeigten Ursprünge und Verbreitung der diskutierten Gattungen bestätigen im Wesentlichen den vorher gehaltenen Vortrag von Jan Schlauer. Die teilweisen Überschneidungen ergänzen sich sogar ausgezeichnet und erleichtern auch "Nicht-systematikern" das Verständnis der Zusammenhänge.
Nach Beantwortung der regelmäßig gestellten Fragen ist eine halbe Stunde vergangen, und Prof. Dr. Owen T. Page (Connecticut College, USA) beginnt seine Ausführungen zum Thema: Strukturelle Grundlagen beim Nährstofftransport in Nepenthes Kannen. Mit Mikroskop Aufnahmen werden die Verteilungen von Flüssigkeiten und Nährstoffen, teils durch fluoreszierende Farbbeigaben sichtbar gemacht. Eine gelungene Powerpoint Präsentation macht alles gut verständlich. Um 11.00 Uhr betritt wieder Prof. Kondo die Bühne und bittet alle Teilnehmer in den Raum mit der "Postershow", wo die Autoren ihre ausgestellten Beiträge kommentieren. Wir nutzen die Zeit um einige der ausgestellten Pflanzen, sowie Szenen im Verkaufsraum zu filmen. Anschließend geht es in die Mittagspause in unser preiswertes kleines Restaurant, wo wir wiederum das leckere Schnitzel mit Reis, Weißkohl und Suppe bestellen. Wir werden bereits wie alte Stammkunden begrüßt, wobei wir uns alle auch ohne Englisch-, respektive Japanisch- Kenntnisse, prima verstehen.

Für den ganzen Nachmittag steht ab 14.00 Uhr ein Symposium über die Blattbewegung der Droseraceae (Aldrovanda, Dionaea, Drosera), unter der Leitung von Prof. Joel auf dem Programm. Dieses Thema interessiert sicher jeden, der die Sonnentaugewächse jemals beim Beutefang beobachtet hat. Tatsächlich gelingt es allen Rednern dem Publikum mit hoch interessanten, ja brillanten Beiträgen, die neuesten Kenntnisse zu diesem spannenden Thema zu vermitteln. Prof. Dr. Stephen E. Williams (Lebanon Valley College, USA) beginnt die Reihe mit dem zentralen Problem, wie sich Tentakel biegen und Fallen schließen. Noch während seine Bilder zu sehen sind wird uns klar, daß auch dieser Beitrag einige Zeit auf dem Konferenz-Video benötigt. Es geht auf hohem Niveau weiter, als Prof. Dr. Wayne R. Fagerberg (University of New Hampshire, USA) erläutert, welche Veränderungen im Gewebe der Venus Fliegenfalle stattfinden, wenn diese ihre Klappen schließt und auch wieder öffnet. Auch diese Powerpoint Präsentation ist von exzellenter Qualität. Es folgt Prof. Kondo mit Beobachtungen an Venus Fliegenfallen in Gewebekutur, wobei sein besonderes Augenmerk der Reaktion des Schließ- und Öffnungsmechanismus unter dem Einfluß bestimmter Chemikalien gilt. Dabei betrachtet er z.B. auch Veränderungen der Rotfärbung mit der Schlußfolgerung, daß Pflanzen mit ausgeprägter Rotfärbung generell gesünder und kräftiger sind als Klone ohne Anthocyanin. Den vierten Vortrag, bei dem es auch um den Einfluß verschiedener Chemikalien auf die Bewegung der Fangblätter geht, hält Prof. Dr. Minoru Ueda (Keio University, Japan).

Sowohl Kondo, als auch Ueda nennen für ihre Arbeit eine Reihe von Koautoren, die in den "Proceedings" alle aufgeführt sind. Abschließend faßt Daniel Joel nochmals alle Arbeiten zum Thema zusammen, und verleiht seiner Hoffnung Ausdruck, daß ein Resultat dieses Symposiums tatsächlich neue Erkenntnisse zur Blattbewegung der Droseraceae sein könnten. Diese wären dann bereits ein Thema für die 5. Karnivoren Konferenz, deren Veranstaltungsort allerdings noch nicht feststeht.

Nach einem so intensiven Nachmittag, sind dann alle froh, als es gemeinsam nach unten an die frische Luft geht, denn im Vorhof soll das Gemeinschaftsfoto aller Teilnehmer gemacht werden. Für etwa € 10,- kann man die Zusendung per Luftpost vorbestellen. Natürlich ist die Gelegenheit auch wieder günstig noch ein wenig zu fachsimpeln und neue Bekanntschaften zu vertiefen. Dies kann beim anschließenden Bankett, das um 18.00 Uhr beginnt, in Ruhe fortgesetzt werden. Ein Büfett mit Meeresfrüchten, Geflügel, diversen Salaten und Gemüsen ist in einem Museumsraum vorbereitet. Egal ob Saft, Bier, Sake oder Whisky, alles ist vorhanden und kann in einem ungewöhnlichen Ambiente genossen werden. In den Wänden eingelassen sind zahlreiche beleuchtete Vitrinen mit versteinerten Sauriern, vor denen die mit Stäbchen und Tellern hantierenden Teilnehmer sich munter unterhalten. Prof. Kondo teilt uns mit, daß er im folgenden Workshop, der wieder einige Minuten mit der Bahn entfernt, um 20.00 Uhr stattfinden soll, unser Video über die 3. Karnivoren Konferenz in San Francisco zeigen will. Es fällt uns beiden wirklich schwer ihm klar zu machen, daß wir nach dem Bankett gegen 19.50 Uhr ins Hotel zurückkehren werden. Tatsächlich müssen wir noch unser Gepäck für den, am nächsten Tag stattfindenden Ausflug richten, nicht benötigte Sachen im Hotel deponieren und unsere Akkus aufladen. Wie schon am Vorabend hat leider Siggis Tinnitus durch die lange Konzentration des Tages, wieder solche Ausmaße angenommen, daß wir uns gezwungen sehen diese persönliche Einladung abzulehnen. Prof. Kondo fragt noch ob er das Video auch ohne uns zeigen darf, was wir ihm selbstverständlich gestatten. Für asiatische Begriffe war das sicher ein Affront, aber Siggi wollte seine, dem Geräusch zweier im Kopf kreisenden Zahnarztbohrern gleichenden Gesundheitsprobleme auch nicht thematisieren.

Wir brauchen im Hotel tatsächlich noch eine ganze Weile bis das notwendige Gepäck für den Ausflug sowie die Kameraausrüstung parat ist. Trotz Whisky pur Schlummertrunk haben wir die Nacht schlecht geschlafen. Als der Wecker klingelt sind wir schon lange wach, wobei wir uns fühlen, als wäre das Jet lag zurück. Irmgards Magen muckt zusätzlich, wo wir doch ausgerechnet heute einmal das American Breakfast bestellt haben, bei dem nun auch noch Rührei und Schinken kalt sind. Schließlich gibt es heute kein Mittagessen, da die Busfahrt zum Mount Koshin gleich nach Ende der Konferenz gegen 12.00 Uhr beginnt. Dadurch haben wir auch ein Problem mit den Akkus, denn wenn wir den ganzen Vormittag filmen, sind diese zum Ausflug leer. Wir haben jedoch keine Ahnung, ob es bei der Übernachtung in einem einfachen Hotel "japanese style" Gelegenheit gibt diese zu laden. Nach einem Blick auf die Tagesordnung entschließen wir uns drei der vier Vorträge nur in kurzen Ausschnitten aufzunehmen. Dabei beginnt es schon sehr interessant mit Leo Song (California State University, USA), der Einblicke in die große Insektivoren Sammlung - der einzigen in einer Staats Universität der USA - in Fullerton gibt. Dort machte kürzlich auch Steven Spielberg Aufnahmen für Projekte seiner Firma Dreamworks, wie Fotos belegen. Leo ist allen Mitgliedern der ICPS durch seine langjährigen Aktivitäten, u.a. für den Carnivorous Plant Newsletter (CPN) wohl bekannt.

Für den nächsten Vortrag, der Punkt 9.00 Uhr beginnt, habe ich zwei große Akkus einkalkuliert. Dr. Andreas Wistuba (Deutschland) zeigt neue Beobachtungen der Gattung Heliamphora. Koautoren sind Dipl. Ing. Thomas Carow (Deutschland) und Dr. Peter Harbarth (Deutschland). Wer diese Jahr das Treffen der Regionalgruppe Süd in Würzburg besuchte, bekam bereits einige der Bilder zu sehen. Tatsächlich gelingt es Andreas das Publikum mit seinen hervorragenden Dias eine Stunde lang zu fesseln. Neben brillanten Pflanzenaufnahmen gelingt es ihm, die urtümliche Atmosphäre der Tepuis zu vermitteln. Die von Nebelschwaden umwehten, bizarren Felsformationen, sowie scheinbar in Goldfarbe getauchte Vegetation am Abend, vermitteln einmalige Eindrücke. Auch eine neue, von ihnen beschriebene Art haben die drei Autoren vorzuweisen. Präzise beschreibt Andreas anhand seiner Bilder, die besondere Nektarblase von Heliamphora folliculata. Es gibt aber noch mehr Tafelberge über die er berichtet und wir werden dafür wiederum einige Zeit auf unserem Konferenzvideo reservieren müssen.

Um 10.00 Uhr beginnt Prof. Dr. Shigeo Kurata (Japan), ebenfalls einer der Honoratioren der japanischen Insektivorenforschung, seinen Beitrag. Er stellt eine aktuelle Auflistung der Nepenthes Arten vor, die ebenfalls vollständig in den "Proceedings" zu finden ist. Es folgt Prof. Dr. Kenji Takahashi (Japan), dessen Ausführungen über das Verdauungsenzym Nepenthesin bei Nepenthes distillatoria (Sri Lanka), wieder durch eine Computer Präsentation verständlich werden. Diesen Vortrag verpassen wir allerdings, da Siggi ein wichtiges Gespräch mit Stephen Williams führt, der die gelben Emergenzen "unseres Sonnentaus" mittels Rasterelektronenmikroskop genauer erforschen will.
Cover DVD ICPS Tokyo

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Um 12.00 Uhr betritt ein strahlender Prof. Kondo die Bühne, um diese hochkarätige und interessante Konferenz offiziell zu beenden. Er wirkt sichtlich erleichtert und erfreut, als er sich bei allen Teilnehmern und Helfern bedankt, denn das Feedback aus den Gesprächen und der Applaus zeigen ihm eindeutig, daß seine Bemühungen um die Organisation der drei Tage außerordentlich erfolgreich waren. Er lädt alle Teilnehmer zu einem Abschluß-Snack im Vorraum ein, wo bereits Sandwiches, Knabberzeug und diverse Getränke aufgebaut wurden. Kurz meldet sich auch noch der Vorsitzende der IPS, Prof. Sadashi Komiya zu Wort, und Prof. Joel richtet noch im Namen aller eine Dankesadresse an Prof. Kondo. Dann beginnt beim angekündigten Abschluß-Snack auch schon das Verabschieden, denn für die Teilnehmer des 2-tägigen Ausfluges auf den Mount Koshin, wo das in Japan endemische Fettkraut Pinguicula ramosa wächst, steht schon wenig später der Bus parat. Womit auch schon das nächste Abenteuer beginnt, aber dieser Bericht ist bis hierher schon viel länger geworden, als geplant. Wer mehr über die 4th Carnivorous Plant Conference in Tokyo erfahren will, dem empfehlen wir unser kommendes Video (etwa Dezember 2002) mit dem gleichnamigen Titel, zumindest aber die "Proceedings" (ISBN 4-9901285-7-5) der erfolgreichen Veranstaltung.


Auf dem Heimweg im Narita-Express zum Flughafen

HUNTING VEGGIES® on/auf YouTube

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- Index Vorträge der ICPS World Conference Tokyo 2002 (Deutsche Sprache) -