Darlingtonia
Artikel
von Stewart McPherson (ins Deutsche übersetzt) |
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Pitcher Plants of the Americas - Ein Buch von Stewart McPherson rezensiert von Siegfried Hartmeyer Das 2006 im Verlag „The McDonald & Woodward Publishing Company" erschienene Buch „Pitcher Plants of the Americas" (ISBN-10: 0-939923-75-0) ist das erste einer neuen Reihe über alle weltweit bekannten Karnivoren, die insgesamt fünf Bücher und eine DVD beinhalten wird. Das Projekt wird noch 2007 mit „Glistening Carnivores" fortgesetzt, worin alle Gattungen mit Leimfallen beschrieben werden. Ein weiteres Buch, diesmal über die „Pitcher Plants of the Old World", also Cephalotus und Nepenthes ist bereits in Arbeit und eine Gesamtübersicht der karnivoren Pflanzenwelt „Carnivorous Plants of the World" ist angekündigt. Bemerkenswert ist die Absicht des Autors Stewart McPherson, den Gewinn aus dem Verkauf der Bände in Pflanzenschutzgebiete für bedrohte Arten von Sarracenia, Drosera, Pinguicula und Utricularia in den USA zu investieren. Mehr Informationen dazu finden sich auf der Homepage seiner Firma „Redfern Natural History", wo man die Bücher direkt bestellen, und/oder kostenlos viele Fotos daraus betrachten kann. Der Preis von ungefähr € 35,- ist dabei im Vergleich mit anderen Werken über Karnivoren absolut nicht zu teuer. Nicht nur in Hinblick auf den guten Zweck, sondern ausdrücklich auch wegen der 320 Seiten gut lesbaren Textes, der auf Systematik, Biologie, Ökologie und Biogeografie der Gattungen ebenso eingeht, wie auf den Naturschutz und die Kultur der Pflanzen, hervorragend ergänzt mit etwa 230 teils großformatigen Farbfotos. Nach sechs Jahren intensiver Forschungen durch den Autor behandelt „Pitcher Plants of the Americas" alle fünf karnivoren Gattungen, die auf den beiden amerikanischen Kontinenten vorkommen und mittels Fallgruben zumeist Gliedertiere erbeuten. Das sind Ananasgewächse (Bromeliaceae) der Gattungen Brocchinia und Catopsis, sowie die zur Familie der Schlauchpflanzen (Sarraceniaceae) gehörenden Gattungen Darlingtonia, Heliamphora und Sarracenia. Dabei werden neben den reinen Arten zusätzlich die gegenwärtig bekannten Varietäten sehr detailliert beschrieben, teilweise sogar erstmalig. Jedes Kapitel über die Gattungen beginnt mit der Erklärung des Namens, was nicht selbstverständlich ist. Ich wusste z.B. nicht, dass der Name Catopsis vom griechischen kata (hängend) und opis (Erscheinung) stammt, wodurch das epiphytische Wachstum (auf den Ästen von Bäumen, Mangroven oder auch auf Telefonmasten) beschrieben wird. Es folgt zu jeder Gattung Interessantes über den historischen Hintergrund, eine genaue Beschreibung der Pflanzenstruktur, des Fang- und Verdauungsprozesses, wobei erfreulicher Weise die daran beteiligten Tiere und Mikroorganismen nicht vergessen werden. Ausführlich geht der Autor auf die Lebensräume ein, für die er als studierter Geologe einen geschulten Blick beweist. Im Unterschied zu vielen anderen Büchern, welche einen Überblick der gesamten Karnivorenwelt bieten, geht es hier lediglich um die fleischfressenden Bromelien und Schlauchpflanzen Amerikas, wodurch genug Raum entsteht, ausführlich auf die unterschiedlichen Merkmale der einzelnen Arten und Varietäten einzugehen. Genau das macht der Autor sehr gekonnt, wenn er zum Einen durchaus wissenschaftlich fundiert schreibt, jedoch gleichzeitig unterhaltsam, ja geradezu spannend bleibt und, um nur ein Beispiel zu nennen, schildert, wie die Färbung und Größe von Heliamphora Arten variiert, je nachdem ob sie in 0-20% oder in 20-45% Schatten wachsen. Beim Lesen merkt man wohltuend, dass der Autor nicht vom Schreibtisch aus Pflanzen aus Herbarien oder in Kultur beschreibt, sondern alle Lebensräume selbst besucht und am eigenen Leib erfahren hat. Während dieser Reisen entstanden Bilder von außerordentlicher Brillanz und Ästhetik. Ein talentierter Fotograf schafft es einfach, mit gewissen Bildern eine ganze Geschichte zu erzählen, wofür es in diesem Buch mehrere Beispiele gibt. So auf Seite 151, wo eine Gruppe sehenswerter Heliamphora neblinae direkt an der Abbruchkante des Tepuis wächst, während im Hintergrund gleichzeitig die gegenüber liegende, senkrecht abfallende Wand des Tafelberges zu sehen ist. Fasziniert über die Farbe und Form der Pflanzen spürt man beim Anblick des Bildes fast ein Kribbeln im Bauch, hervorgerufen durch die suggerierte Vorstellung, selbst am Abgrund zu stehen. Sehr schön sind auch die botanischen Zeichnungen zu jeder Gattung, in denen die einzelnen Pflanzenteile anschaulich zu sehen und benannt sind. Hilfreich für alle die mit botanischen Bezeichnungen oder englischen Fachbegriffen weniger vertraut sind, ist ein mehrseitiges Glossar im Anhang, mit dessen Hilfe sich diese Wörter im Text schnell erschließen. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis ist ebenfalls vorhanden. Etwas irritiert war ich auf Seite 140, als unvermittelt ein Sprung von Heliamphora zu Nepenthes gemacht wird, wobei ich erst dachte, hier sei schon ein Kapitel aus einem der Folgebücher versehentlich reingerutscht. Allerdings wird schon eine Seite später der Zusammenhang klar, denn mehrere Heliamphora Arten, besonders H. ionasii und H. tatei „Cero Aracamuni / Cero Avispa Variant" wachsen auch am Boden der Regenwälder an den Hängen der Tepuis, wo sie bis zu 45 cm große Fallen entwickeln, die ähnlich derer der Königin der tropischen Kannenpflanzen, Nepenthes rajah, durchaus in der Lage sind, selbst kleine Nagetiere bis hin zu Ratten einzufangen, auch wenn das wohl eher selten geschieht. Ich habe dieses Buch in nur zwei Tagen durchgelesen, an denen ich regelrecht auf dem Sofa klebte, während die gelungene Verflechtung von Text und Bildern die geschilderten Lebensräume vor meinem geistigen Auge regelrecht zum Leben erweckte. Umso eindringlicher wirkt dann das der Beschreibung der Gattungen folgende Kapitel „Habitat Loss and the Threat of Extinction", also der „Verlust der Lebensräume und die Gefahr des Aussterbens", besonders am Beispiel der Gattung Sarracenia. Wie dramatisch deren Bedrohung durch Trockenlegung und Bebauung fortgeschritten ist, wird in diesem Kapitel besonders durch einen Beitrag des Amerikaners Jim Miller deutlich. Er schildert als Augenzeuge die Vernichtung der Lebensräume zwischen 1971 und 2005 so eindringlich, dass man spontan die Beweggründe Stewart McPhersons nachvollziehen kann, einen erheblichen Teil des Gewinnes dieses außergewöhnlichen Buches, wie anfangs erwähnt, in ein geschütztes Refugium für die bedrohtesten Arten zu investieren. Sehr glaubwürdig wird dadurch auch die bei weitem nicht selbstverständliche Versicherung des Autors am Schluss dieses Kapitels, dass während der Feldstudien zur Produktion seines Buches garantiert keine Pflanzen vorsätzlich beschädigt, oder gar ausgegraben wurden. Im letzten Kapitel gibt es noch Hinweise zur Kultur der Pflanzen und es werden einige Gärtnereien in Großbritannien, den USA und Australien als Bezugsquellen empfohlen, welche den Naturschutz durch künstliche Nachzucht und Einhaltung der nationalen und internationalen Vorschriften, wie dem Washingtoner Artenschutzabkommen CITES, ernst nehmen. Ganz ohne Übertreibung, „Pitcher Plants of the Americas" ist so gut gelungen, dass ich es kaum erwarten kann, auch mit dem folgenden Band der Reihe erneut auf dem Sofa festzukleben. |