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Stewart McPherson

Rezension des Buchs
Pitcher Plants of the Americas

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 Darlingtonia californica, die Kobralilie

Von Stewart McPherson, Übersetzung Siegfried R.H. Hartmeyer, veröffentlicht in DAS TAUBLATT (GFP) 2009/3:25-30

Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen modifizierten Auszug aus Stewart McPhersons neuem Buch Pitcher Plants of the Americas, welches sowohl die Ökologie, als auch die bemerkenswerte Vielfalt der amerikanischen Schlauchpflanzen und karnivoren Bromelien (Brocchinia, Catopsis, DarlingtoniaHeliamphora, Sarracenia) behandelt. Weitere Informationen gibt es im Internet unter http://www.redfernnaturalhistory.com/books.


Darlingtonia californica

Darlingtonia californica

Von den weltweit sieben Gattungen der karnivoren Schlauch- und Kannenpflanzen ist Darlingtonia sicher die außergewöhnlichste. Sie enthält lediglich eine Art, D. californica, welche seltsam geformte hohle Schläuche bildet, deren Aussehen verblüffend an eine aufgerichtete Kobra erinnert, die bereit ist, zuzubeißen. Diesen seltsamen Blättern verdankt sie ihren Namen Kobralilie und zugleich den Ruf, eine der Bizarrsten aller Fleischfressenden Pflanzen zu sein. Die Art findet man lediglich an der Westküste der USA, mit weit verstreuten Populationen in Oregon und im Nordwesten Kaliforniens. Die Pflanze wurde erstmals 1841 auf der Nordwestseite des Mount Shasta von dem amerikanischen Botaniker J.D. Brackenridge entdeckt, der zu jener Zeit eine Expedition an die abgeschiedene westliche Grenze unternahm und D. californica lediglich durch Zufall fand. Die Gattung Darlingtonia wurde dann 1853 offiziell von dem Botaniker John Torrey beschrieben, der damit seinen Freund Dr. William Darlington ehrte, einen Physiker und Politiker aus Birmingham in Pennsylvania.

D. californica bringt zwei Blatttypen hervor, erst kleine juvenile Blätter mit rötlich bis grün gefärbten, einfachen röhrenförmigen Schläuchen von bis zu 5 cm Länge, welche an die anderen, eng verwandten Arten Heliamphora und Sarracenia erinnern. Sind die Pflanzen ausgewachsen, ändert sich diese Form drastisch und wird nun gänzlich einmalig. Die Blätter der ausgewachsenen Pflanzen sind grünlich gelb, 20-80 cm hoch und bestehen aus einem aufrechten hohlen Schaft, der in eine annähernd ovale, zwiebelförmige, nach vorn gerichtete Kuppel übergeht. An der Unterseite dieses nach vorn gerichteten Teils befindet sich eine 10-20 mm breite Öffnung, direkt hinter einem völlig roten, einem Fischschwanz ähnelnden Fortsatz (Anm. Übersetzung: im Deutschen auch „Zunge" genannt). 

Die Oberfläche der Kuppel und Teile des Schlauches sind mit kleinen, fensterartigen transparenten Zellen besetzt und die schmale Öffnung auf der Unterseite bildet den einzigen Zugang ins Innere des Hohlraums. Die Umrandung des Eingangs ist nach innen ragend eingerollt, wodurch sie eine nach innen gerichtete Randlippe bildet, die wie eine Reusenfalle wirkt. Rund um die Öffnung und auf der Rückseite des Fischschwanz ähnlichen Fortsatzes wird reichlich Nektar produziert, das Innere der Kuppel ist unbehaart, glatt und wachsartig. Die seltsame Blattform von D. californica ist eine ausgeklügelte Anpassung, deren bemerkenswert komplexer Fangvorgang der Pflanze eine großes Spektrum an Arthropoden als Beute erschließt.

Darlingtonia californica am Naturstandort in Oregon

Der Nektarabsonderung auf der Rückseite des fischschwanzförmigen Fortsatzes entströmt ein starker süßlicher Duft. Dieses zuckrige Aroma lockt verschiedene Insekten an, besonders Wespen und Fliegen, die entlang der Nektarspuren in Richtung der Einlassöffnung krabbeln, wo die Konzentration am Stärksten ist. Aus dieser Position nimmt ein Insekt das Licht wahr, welches durch die transparenten, fensterartigen Zellen scheint, was von ihm als Weg in Richtung Himmel und Freiheit interpretiert wird. Also krabbelt oder fliegt es durch die nach innen weisende Öffnung, um dann mit den transparenten Fensterzellen zu kollidieren. Durch die Unterseite der Kuppel fällt es daraufhin in den senkrechten, röhrenförmigen Schaft und plumpst in die darin enthaltene Flüssigkeit. Ohne jede Möglichkeit, die schlüpfrige, wachsartige Blattinnenseite hochzuklettern, ertrinkt das Insekt schlussendlich, wird zersetzt und die Pflanze kann die Nährstoffe absorbieren. So werden viele Fliegen, Käfer und Ameisen erbeutet.

Diesen komplexen Fangprozess kennt man nur von sehr wenigen anderen Schlauch- und Kannenpflanzen. Zwei Arten der Gattung Sarracenia und zufälligerweise auch zwei Arten der tropischen Nepenthes bringen Fallen mit irreführenden, durchscheinend fensterartigen Flächen hervor, um Beute auf eine der Kobralilie vergleichbare Weise anzulocken. Hier werden die Insekten zwar ähnlich gefangen, der Fangprozess ist jedoch insgesamt weniger komplex und hoch entwickelt als bei D. californica und ähnelt mehr dem der üblichen Schlauch- und Kannenpflanzen.

Darlingtonia californica am Naturstandort in Oregon

Beachtet man ein paar grundlegende Kulturanforderungen, ist Darlingtonia leicht zu halten. In der Natur kommt die Pflanze in kühlen, feuchten bis nassen und lichtdurchfluteten Umgebungen vor. Sie hat sich an ein breites Spektrum sumpfiger Nischenhabitate angepasst, weshalb sie ständig feuchte bis nasse Substrate benötigt, hohe Luftfeuchtigkeit und viel Licht. Sehr wichtig sind auch kühle Temperaturen und eine Ruhezeit, die dem Winter der nördlichen Hemisphäre entspricht. In Oregon und Kalifornien ist D. californica kühlen Sommern mit Temperaturen meist unter 30°C ausgesetzt, und Wintern in denen das Quecksilber für einige Monate unter 10°C, öfter sogar unter die Frostgrenze sinkt. Um diese Pflanze erfolgreich zu halten, benötigt sie eine mehrmonatige Kälteperiode, während der sie eine für den jährlichen Zyklus wichtige Winterruhe verbringt. Diese Ruhezeit kann leicht imitiert werden, indem man Darlingtonia jedes Jahr für drei bis sechs Monate in den Kühlschrank stellt, siehe D’Amato (1989), Slack (1979, 1986) und Rice (2006). 

In der Natur wächst D. californica in einer Mischung aus sauren Koniferennadeln und torfigem Lehm, der normalerweise feucht bis nass ist. In Kultur wächst sie am besten in einer Mischung aus Sphagnummoos, Sand und Perlite im Verhältnis 2:1:1. Natürliche Standorte liegen oft am Rand kleiner Flüsse oder Seen, daher ist es bei der Kultur wichtig, die Wurzeln relativ kühl zu halten, zum Beispiel in dem die Töpfe in Wasser gestellt werden. Um sich ein umfangreiches Wissen zur Kultur der Kobralilie anzueignen, empfehle ich, die Bücher von D’Amato, Slack und Rice zu lesen.

Leider sind einige der in den USA vorkommenden Karnivoren ernsthaft gefährdet. Glücklicherweise gilt der Bestand von D. californica als relativ gesichert und ihre Überlebenschancen in der Natur können auch mit Blick auf die Zukunft als recht positiv bewertet werden. Da die Lebensräume der Pflanzen überwiegend auf Bergen und in abgeschiedenen Regionen liegen, ist das Ausmaß der Zerstörungen, das man in anderen Regionen Nordamerikas vorfindet, bei Weitem nicht so schlimm. Außerdem wurde ein nennenswerter Teil des natürlichen Lebensraums dieser Art durch gut funktionierende Naturschutzinitiativen geschützt. Entlang der wunderschönen Küsten Nordkaliforniens und Oregons wurde großflächig auf Agrarwirtschaft verzichtet und diese auf Dauer als Naturschutzgebiete ausgewiesen. Tatsächlich gibt es etwas nördlich von Florence in Oregon, gleich neben der Straße, ein Naturpark, nur um D. californica zu schützen, dem einzigen Park im Bundesstaat, der lediglich dem Erhalt einer einzigen Spezies dient. Da es recht einfach ist, Naturstandorte von D. californica zu besuchen und auch die Angestellten der Schutzgebiete Kaliforniens und Oregons immer gern bereit sind, Naturforschern die Wildparks zu deren Erbauung zu zeigen, ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass das Einsammeln von Pflanzen aus natürlichen Populationen strengstens gesetzlich verboten ist. Das sollte von allen Besuchern respektiert werden.

Alle Fotos von Stewart McPherson.


D. californica kann in Großbritannien bei folgenden Bezugsquellen bestellt werden:

Hampshire Carnivorous Plants

Ya Mayla, Allington Lane, West End, Southampton, SO30 3HQ, United Kingdom

Website: www.hantsflytrap.com

P&J Carnivorous Plants

The Hayden, Brampton Lane, Madley, Hereford, HR2 9LX, United Kingdom

Website: www.pj-plants.co.uk

Sarracenia Nurseries

37 Stanley Park Road, Carshalton, Surrey, SM5 3HT, United Kingdom

Website: www.sarracenia.co.uk

Shropshire Sarracenias

5 Field Close, Malinslee, Telford, Shropshire, TF4 2EH, United Kingdom

Website: www.carnivorousplants.uk.com


Literatur:

D’Amato, P. 1998. The Savage Garden: Cultivating Carnivorous Plants. Berkeley, CA: Ten Speed Press.

McPherson, S. 2006. Pitcher Plants of the Americas. Blacksburg, VA: The McDonald & Woodward Publishing Company.

Rice, B., 2006. Growing Carnivorous Plants. Portland, OR: Timber Press.

Slack, A. 1979. Carnivorous Plants. London, England: Ebury Press.

Slack, A. 1986. Insect Eating Plants and How to Grow Them. London, England: Alpha Books.

English abstract:

This article on Darlingtonia californica, the cobralily, is a modified excerpt from Stewart McPherson’s book Pitcher Plants of the Americas, which examines the wild ecology and remarkable diversity of the five genera of American pitcher plants and carnivorous tank bromeliads (Brocchinia, Catopsis, Darlingtonia, Heliamphora, Sarracenia), for more information, please see http://www.redfernnaturalhistory.com/books.