Drosera glanduligera – Der Sonnentau mit „Klapp-Tentakeln" Hartmeyer, I. & Hartmeyer, S. (2005) DAS TAUBLATT (GFP) 2005/2: 34-38
Post von Richard Davion aus Südaustralien Es kann mühsam sein, mehrere Stunden lang die Kopie der Kopie einer privaten VHS Kassette anzuschauen, auch wenn darauf interessante Standorte australischer Karnivoren zu sehen sind. Die Aufnahmen von Richard Davion aus Südaustralien zeigen einige orange blühende Drosera glanduligera, welche direkt neben seinem Grundstück wachsen. Mit einem Nagel traktiert er - offensichtlich ohne genau zu wissen was er sucht - mehrmals die Fangblätter. Diese besitzen Tentakel mit normalen Klebstofftröpfchen, aber auch solche ohne Klebstoff, die stark nach außen verlängert sind. Mir brennen schon die Augen, als ich selbigen plötzlich nicht recht traue, denn da klappt einer der verlängerten Tentakel im Bruchteil einer Sekunde zur Blattmitte. Ein Sonnentau ist so schnell wie eine Venus Fliegenfalle? Der Vorgang wiederholt sich sogar am nächsten Blatt. Mit weit geöffneten Augen schaue ich mir die Szene mehrmals an und kontrolliere, ob da etwas am Film manipuliert wurde. Die Geschwindigkeit ist jedoch echt, weshalb mir sofort klar ist, ein herrliches neues Fleischi Thema gefunden zu haben. Als erstes zeigen wir die Szene auf unserer 2004 erschienenen DVD „Quer durch's Karnivorenbeet", die zu dem Zeitpunkt gerade in Arbeit ist. Im März 2004 erhalte ich von Richard diverse Samen, die bereits mit „fastest Sundew world- wide" und einer Standortangabe versehen sind. Drosera glanduligera ist einjährig und in Südaustralien weit verbreitet, die Kultur gilt jedoch als recht schwierig, da die Pflanze in der kalten Jahreszeit mit Nachttemperaturen nahe Null Grad wächst. Liegen die Tagestemperaturen zu hoch, oder ist der Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht zu gering, vegetiert sie nur vor sich hin ohne zu blühen. Zusätzlich ist es bereits eine Herausforderung, die Samen im Gewächshaus überhaupt zum Keimen zu bringen. Wer schöne große Sonnentau mag, kommt auch nicht auf seine Kosten, denn mit nur 15-20 mm Durchmesser der gesamten Rosette (bei Blüte in unserem Gewächshaus) unterbietet er auch locker einige Zwergsonnentau (in deren Sektion er übrigens nicht gehört). Für diejenigen, welche auch vor so einem zickigen Winzling nicht zurück schrecken, folgen jetzt erst einmal meine aktuellen Erfahrungen zur Kultur.
Die nicht ganz einfache Kultur Im April 2004 streuen wir etwa 60-70 Samen im Kalthaus auf gewöhnliches Torf-Quarzsand- Bimskies-Substrat (12 cm Topf), wässern gut durch und warten ab. Es geschieht jedoch erst einmal gar nichts, weshalb der Topf den ganzen Sommer über im Anstauverfahren nass in der Sonne steht. Dann plötzlich, Mitte Oktober, beginnen wie auf Kommando mehrere Dutzend Samen gleichzeitig zu keimen. Prompt kommt ein Anruf von Andreas Fleischmann, dem wir beim GFP Regionaltreffen in Hof (2004) auch Samen gegeben hatten, der bei sich genau das Gleiche beobachtet. Im Kalthaus gehen die Temperaturen jetzt nachts bei fast 100 % Luftfeuchtigkeit wetterabhängig auf etwa 5-12°C zurück, tagsüber sind es bei Sonne aber immer noch 20-26 Grad. Ab Dezember beleuchten wir zusätzlich mit einer 400 Watt Metalldampflampe, was den jetzt ebenfalls austreibenden Knollendrosera genauso gut bekommt wie den immer noch winzigen D. glanduligera. Letztere wachsen aber nur sichtbar, wenn ich sie alle 14 Tage mittels einer Lupenpinzette (wer über Springschwänze verfügt - wie Andreas - kann sich das sparen) mit zerriebenen Fischfutterflocken füttere. Das ist echt zeitaufwändig! Von Dezember bis Februar steigen auch die Tagestemperaturen selten auf 25 Grad, meist liegen sie aufgrund des kalten Winters und mangelnder Sonne bei nur 12 – 20 Grad. Im Februar 2005 haben die Pflänzchen dann endlich einen Durchmesser von etwa 10-15 mm, wobei bereits diese Winzlinge beim Füttern unter der Lupe eindeutig blitzschnell zuschnappen. Im März ist es dann endlich so weit: Die Tagestemperaturen steigen jetzt auf über 25 Grad an und etwa ein Dutzend Pflänzchen beginnen zu blühen. Meine Versuche dies zu filmen scheitern anfangs, bis mir klar ist, dass sich die etwa 3-4 mm winzigen orange Blüten (rechts) nur vormittags zwischen 9.20 und 10.50 Uhr öffnen, auch das nur jeweils an einem einzigen Tag. Wenige Wochen nach der Blüte verwelken die Pflänzchen dann wieder, wobei einige verdickte Samenkapseln die nächste Generation sichern.
Drosera glanduligera im Vergleich mit D. burmannii und D. sessilifolia Was ich beim Füttern mit der Lupenpinzette sehe, bestätigt voll und ganz die Videoaufnahmen von Richard Davion. Allerdings sind die Tentakel so haarfein, dass selbst im Makro unserer Canon DV-Kamera nur die Bewegung, nicht aber die genaue Struktur zu erkennen ist. Also komme ich wieder auf unser USB-Mikroskop zurück, dessen Bildauflösung leider nicht unseren Wünschen entspricht, das jedoch immer mal wieder unerwartete Details zum Vorschein bringt. Um die Geschichte noch etwas zu „tunen", machen wir die gleichen Aufnahmen mit Makro und USB-Mikroskop auch bei Drosera burmannii und bei D. sessilifolia (links). Beide Arten stammen zwar aus tropischen Regionen, verfügen jedoch ebenfalls über nach außen hin verlängerte Tentakel ohne Klebstoff, und galten bisher – wenn auch inoffiziell – als Geschwindigkeits-Champions ihrer Gattung in Sachen Tentakelbewegung. Bereits 1993 hatten wir das bei Drosera burmannii auf Video dokumentiert. Zu sehen war das auf unserem Film „Reiseziel Insektivoren (Australien 1995)". Bei den damaligen Aufnahmen benötigten die verlängerten Tentakel (bei 25°C) etwa 15 - 20 Sekunden, um sich bis zur Blattmitte zu biegen. Jetzt wiederholen wir den Versuch im Gewächshaus bei etwa gleicher Temperatur, wobei die Resultate diesmal bei 10 - 20 Sekunden liegen, also fast gleich sind. Tatsächlich erreicht auch D. sessilifolia diese Geschwindigkeit, was uns aber nicht besonders überrascht. Im Vergleich zu D. glanduligera jedoch, dessen „Klapp-Tentakel" das im Zehntelsekundenbereich schaffen, werden die bisherigen Champions vollkommen deklassiert!
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Eine neue Tentakelstruktur Wie immer ist es etwas mühsam mit unserem USB-Mikroskop einigermaßen brauchbare Aufnahmen zu bekommen, denn das Objektiv mit 200-facher Vergrößerung stupst beim Scharfstellen durch Höhenverstellung immer wieder gegen die Pflanzen. Als wir die Details dann aber einigermaßen erkennbar auf dem Bildschirm sehen, sind Irmgard und ich völlig baff, denn so etwas haben wir nicht erwartet. Bei allen drei Arten zeigen die Köpfe der verlängerten Tentakel eine völlig andere Struktur, als die Klebstoff produzierenden. Die von D. burmanni (links) sind mit etwa einem Millimeter Länge am größten und zeigen auf der Oberfläche eine Art längliches „Samtkissen", welches die Beute auf der Blattmitte in die Klebstoff-Tentakel drückt. Der Tentakelstiel ist von der Basis her gleichmäßig dick, verjüngt sich aber direkt vor dem „Kopfteil". Die Bewegung erfolgt durch Biegung des gesamten Tentakels, besonders im unteren Drittel durch die rasche Veränderung des Flüssigkeitsdrucks in den beteiligten Zellen. Das kennen wir ja – wenn auch deutlich langsamer – von unseren einheimischen Sonnentau. Bei D. sessilifolia (rechts) sind die Köpfe mit nur etwa 0,25 mm deutlich kleiner, zeigen jedoch eine ähnliche „Samtkissen"-Struktur wie D. burmannii. Allerdings verjüngt sich der Tentakelstiel etwa 0,2 mm vor dem Kopf, um dann bis zur Verbindung mit dem Kopfteil wieder den vollen Durchmesser zu erreichen. Die Bewegung des gesamten Tentakels ist der von D. burmannii sehr ähnlich, allerdings gibt es an der Verjüngung eine zusätzliche Biegung, wodurch die Beute mit noch mehr Kraft auf das Blattzentrum gedrückt wird. Bei D. glanduligera (links) ist jedoch alles anders! Der Tentakelstiel ist bis etwa zur Hälfte gleichmäßig dick. Dann folgt eine Art Gelenk (!) von wo an der restliche Tentakelstiel deutlich dünner ist und sich weiter verjüngend bis zum Kopfteil verläuft. Die Klappbewegung erfolgt eindeutig an der bisher nicht beschriebenen Gelenkstruktur (jedenfalls ist uns nichts Schriftliches dazu bekannt). Dieses Gelenk wirkt bei grober Berührung mit einer Pinzette wie eine Sollbruchstelle (siehe rechts), an welcher der obere, dünne Teil einfach abbricht! Das dürfte bei einem normalen Droseratentakel schlicht unmöglich sein. Geradezu unglaublich erscheint jedoch die Kopfstruktur, wo auch der Auslösemechanismus verborgen liegt. Leider ist diese nur etwa 0,05 mm winzig! Da kommt auch unser USB-Mikroskop an die Grenzen seiner Auflösung. Unsere Hoffnung, das auch zeigen zu können, ruht voll und ganz auf dem Fotobearbeitungstalent unseres 2. Vorsitzenden Ansgar Rahmacher. Der Kopf zeigt eine in der Mitte geteilte, spitz zulaufende flache Struktur, auf der an einem winzigen Stiel eine rote Kugel liegt, deren Oberfläche den gelben Emergenzen von D. hartmeyerorum ähnelt. Vermutlich löst die Berührung dieser Kugel den Klappmechanismus aus. Um die genaue Funktion aufzuklären, benötigt man wohl ein Raster Elektronen Mikroskop. Evolution der Drosera Tentakel Auf unserer DVD „Quer durch’s Karnivorenbeet" haben wir auch einen Vortrag von Prof. Stephen Williams (USA) übersetzt, den er in San Francisco zur ICPS Weltkonferenz 2000 hielt. Dabei zeigte er am Aufbau, dass sich auch die berührungsempfindlichen Sensorborsten von Venus Fliegenfalle und Aldrovanda aus normalen Tentakeln ihrer Sonnentau Vorfahren entwickelt haben. Bekannt ist auch, dass einige der verlängerten Tentakel beim Sonnentau (wie D. burmannii) keinen Klebstoff produzieren und sich von den „normalen" im Blattzentrum unterscheiden, sie dienen aber ebenfalls dem Beutefang. Ab jetzt muss wohl auch D. glanduligera als ein Sonnentau mit einer artspezifischen Tentakelstruktur bezeichnet werden. Aber es gibt noch weitere Konsequenzen, denn außerdem verlieren dadurch Dionaea muscipula und Aldrovanda vesiculosa ihren Sonderstatus unter den Karnivoren. Sie sind nun nicht mehr die einzigen Vertreter mit einem Klappmechanismus im Zehntelsekundenbereich. Literaturhinweise Hartmeyer, I., Hartmeyer, S. (2004) Quer durch’s Karnivorenbeet, DVD (private Produktion) Hartmeyer, I., Hartmeyer, S. (1995) Reiseziel Insektivoren, DVD (private Produktion) McPherson, S., (2008)
Glistening Carnivores - The Sticky-Leaved Insect-Eating Plants, |