Drosera hartmeyerorum (Droseraceae), ein neuer Sonnentau in sect. Arachnopus aus Nordaustralien JAN SCHLAUER • Zwischenstr. 11 • 60594 Frankfurt/Main • Germany jan@carnivorousplants.org Published: DAS TAUBLATT 2002/1: 29-31 Aus dem englischen Original (Schlauer 2001) leicht geändert übertragen vom Autor selbst. Abdruck mit Genehmigung der International Carnivorous Plant Society, ICPS. Einleitung Australien ist das wichtigste Diversitätszentrum der Gattung Drosera
(Schlauer 2000). Daher ist es kaum verwunderlich, dass von diesem Kontinent laufend neue
Sonnentauarten entdeckt und beschrieben werden. Im Gegensatz zu den meisten jüngeren
Ergänzungen zu dieser Gattung gehört die Art, die hier im Weiteren behandelt werden
soll, nicht zu den artenreichen Untergattungen Bryastrum (Zwergsonnentau), Ergaleium
(Zwiebelknollensonnentau) oder Lasiocephala (D. petiolaris-Komplex) sondern
zur bisher monotypischen (nach Ausschluß der Sektion Prolifera nur aus einer Art
bestehend, vgl. Schlauer 1996) Sektion Arachnopus in der Untergattung Drosera.
Trotz ihrer klaren Verwandtschaft zur weitverbreiteten und variablen D. indica kann die neue Art sofort unterschieden werden durch ihre aufrechten (statt spreizenden oder gebogen-aufsteigenden), verkahlenden (nicht dicht drüsigen) Blütenschäfte und -Stiele und insbesondere durch den Besitz einiger (üblicherweise 3 bis 10) nicht drüsigen Emergenzen auf der Oberseite jedes Blattgrundes in der Nähe der tentakelbesetzten Fallenfläche. Diese Emergenzen tragen hellgelbe, maulbeerförmige Köpfchen, die deutlich mit dem normalerweise dunkelroten Blattstiel kontrastieren. Obwohl die verschiedenen Formen von D. indica insbesondere hinsichtlich der Ausdehnung und Behaarungsverhältnisse der Blattstielregion variieren, hat keine dieser Formen vergleichbare Emergenzen, und tatsächlich ist auch sonst keine andere Sonnentauart mit solchen Strukturen bekannt. Obgleich sie den Tentakeln etwas ähneln, sind ihre Herkiunft oder Funktion bislang unbekannt. Da sie auch an Jungpflanzen gebildet werden, kann die neue Art sowohl im Feld als auch auf Herbarbelegen eindeutig und ohne mikroskopische Untersuchung angesprochen werden. Auf der Grundlage von Untersuchungen an Pflanzen in Kultur sind diese Emergenzen offenbar nicht krankheitsbedingt und auch an Keimlingen vorhanden. Beschreibung (Schlauer 2001) Drosera hartmeyerorum Schlauer Wurzeln wenige, faserig, am Ende leicht verdickt. Pflanzen aufsteigend, Sprosse gewöhnlich bis 30 cm hoch, aufrecht (bei Jungpflanzen), mit Stieldrüsen, gewöhnlich dunkelrot. Blätter spreizend, später zurückgebogen, ohne Nebenblätter, schmal streifenförmig, spitz, in der Knospe aufwärts eingerollt. Blattstiele kurz (bis 3 mm lang), Spreite mit Tentakeln (ca. 1 mm auf der Fläche, randwärts bis 2 mm lang, häufig mehr als 5 mm lang an der Blattspitze) auf der Oberseite, stieldrüsig auf der Unterseite, gewöhnlich (2-) 3-5 (-6) cm lang, ca. 1.5 mm breit, ca. 0.5 mm dick, mit zurückgeschlagenen Blatträndern. Bild links: Tentakeln (A) und
Emergenzen (B) an der Blattbasis von D. hartmeyerorum. Zeichnung nach Typus
Exemplar.
Gestielte, hellgelbe, maulbeerförmige Emergenzen im basalen Teil der Blattoberfläche (gewöhnlich 0.5-5 mm vom Blattansatz an der Sprossachse). Die Stiele dieser Emergenzen sind etwa so lang wie dei Siele der benachbarten Tentakeln auf der Blattfläche (d.h. kürzer als die Tentakel des Blattrandes oder der Blattspitze). Die maulbeerförmigen Köpfchen sind etwa fünfmal so groß wie die Drüsenköpfchen der Tentakeln und (wahrscheinlich etwas abhängig von den Wachstumsbedingungen) normalerweise von der Größe der klebrigen Tröpfchen, die von den Tentakeln abgesondert werden. Blütenstände ca. 15 cm lang zur Blütezeit, bis 30 cm (bei
den untersuchten exemplaren, möglicherweise noch länger bei anderen Individuen) zur
Fruchtreife, seitlich aber aufrecht (nicht gebogen außer im jüngsten Abschnitt mit
Knospen, der einen engen Haken oder eine Spirale an der Spitze ausbildet) zur Blütezeit,
vom Spross fast parallel abzweigend, ohne einen vernehmlichen Winkel mit diesem zu bilden
und ihm für mehr als ein Internodium angewachsen (herablaufend). Zur Fruchtreife werden
die Schäfte und Blütenstände klimmend (zusammen mit den Sprossen). In diesem Stadium
biegen sie sich unregelmäßig. Behaarung (stieldrüsig an der Basis) schütter werdend
mit wachsendem Abstand vom Spross und eigentlicher Schaft fast kahl Blüten im oberen Teil
des Blütenstands, 7-15 mm voneinander entfernt, tragblattlos bzw. Schuppen unregelmäßig
eingestreut im fertilen Teil des Blütenstandes. Schuppen spitz mit eiförmigem Grund,
konkav und eingerollt. Wenige maulbeerförmige Emergenzen (aber keine Tentakeln)
gewöhnlich vorhanden auf der Oberseite der Schuppen, Unterseite mit winzigen
Stieldrüsen. Niedrigste Schuppen bis 2 mm lang und 1 mm breit, höhere gewöhnlich
allmählich kleiner werdend. Blütenstiele spreizend (Winkel von 70-90° mit dem Schaft
bildend), ca. 1 cm lang, fast gerade zur Blütezeit, mehr oder weniger scharf am Ende
(knapp unter dem Kelch) umgebogen zur Fruchtzeit, mit winzigen Stieldrüsen nur am Ende
(letzte 3 mm). Kelchblätter 5, ca. 2.5 mm lang, ca. 1 mm breit, nahezu frei,
breitlanzettlich, außen mit winzigen Stieldrüsen, ganzrandig. Kronblätter 5, ca. 5 mm
lang, ca. 3 mm breit, verkehrteiförmig-keilförmig (manchmal bespitzt), frei, rosa, am
Grund Ganzrandig, am Ende ausgefranst. Staubblätter 5, mit Kronblättern abwechselnd,
Staubfäden 1-2 mm lang, Konnektive breit aber nicht auffällig verbreitert im
Spitzenbereich, Staubbeutel ca. 0.5 mm lang, Theken fast parallel, gelb. Pollen gelb.
Fruchtknoten dreifächrig, kugelförmig, Griffel 3, am Grund zweigeteilt, fadenförmig,
aufgebogen, ca. 3 mm lang, weiß, Narbenregion an der Spitze warzig, nicht verbreitert,
spitz. Frucht eine dreiklappige Kapsel, eingeschlossen in den verwelkten Resten von Krone
und Kelch, kugelförmig, etwa 2.5 mm im Durchmesser. Samen winzig (ca. 0.2 x 0.3 mm),
elliptisch, Samenschale grubig-genetzt (nicht warzig), schwarz.
Verbreitung, Standort, VegetationsperiodeD. hartmeyerorum ist bislang nur vom Originalstandort
bei Kununurra, nördliches Westaustralien (Hartmeyer & Hartmeyer 2001), bekannt.
Ähnliche Pflanzen sind in der Literatur abgebildet worden (z.B. bei Mann 1997), aber die
entscheidenden gelben Emergenzen am Blattgrund sind auf dieser Fotografie nicht erkennbar.
Die Art könnte weiter verbreitet sein, und eine Untersuchung von bislang als D. indica
identifiziertem Herbarmaterial könnte ein genaueres Bild der tatsächlichen
Gesamtverbreitung von D. hartmeyerorum ergeben. Das bisher vom Autor eingesehene
Material (aus Afrika, Madagaskar, Indien, Sri Lanka, China, Japan und Australien) hat
keine weiteren Fundorte erbracht.
D. hartmeyerorum wächst in nassen Pandanus-Savannen in lateritischem Sand (d.h. einem eisenreichen, tropischen Sandboden), der durch hohe Feuchtigkeit (aber üblicherweise nicht untergetaucht) und hohe Temperaturen während des gesamten Jahres ausgezeichnet ist. Die Pflanzen sind vermutlich einjährig am Naturstandort, aber Ihre Überlebensfähigkeit für eine weitere Vegetationsperiode wurde nicht im Feld überprüft. Etymologie Die neue Art wurde zu Ehren von Siegfried und Irmgard Hartmeyer
benannt, durch deren Bemühungen die Art entdeckt und 1995 auf Video dokumentiert wurde.
Im Jahr 2001 kehrten sie an den Typusstandort zurück um weitere Feldbeobachtungen zu
machen (Hartmeyer & Hartmeyer 2001).
DanksagungIch möchte herzlich S. & I. Hartmeyer danken, die
wohlwollend und freigiebig alle Daten und Materialien bereitstellten, die für die formale
Beschreibung von D. hartmeyerorum erforderlich waren. Die Möglichkeit, die
umfangreichen Aufsammlungen von Drosera in den Herbarien B, K, L, M, P und TUB zu
untersuchen, wird mit verbindlichem Dank an die entsprechenden Direktoren und Kuratoren
gewürdigt.
Literatur Hartmeyer, S. & Hartmeyer, I. 2001. Carniv. Pl. Newslett. 30: 107-110. |