Australische Nepenthes Von Stewart McPherson, Übersetzung Siegfried R.H. Hartmeyer Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um
einen modifizierten Auszug aus Stewart McPhersons neuem zweibändigen Werk
Pitcher Plants of the Old World Vol. 1 & 2, welches sowohl die
Ökologie, als auch die bemerkenswerte Vielfalt aller bisher bekannter Arten Nepenthes
und des Cephalotus behandelt. Das Gesamtwerk umfasst 1'399 Seiten mit 739
Bildern. Die Flora und Fauna Australiens unterscheidet sich im Großen und Ganzen klar von der Südostasiens, besonders die der Hauptinseln des Sunda Schelfs. Diese Unterschiede im Tier- und Pflanzenreich brachten den Naturwissenschaftler Alfred Russel Wallace im 19. Jahrhundert dazu, für beide Lebensräume eine theoretische Grenzlinie vorzuschlagen, die sogenannte Wallace-Grenze. Trotz dieser Unterschiede kommen die in Südostasien mit vielen Arten weitverbreiteten Kannenpflanzen (Nepenthes) auch im Norden Australiens vor. Alle drei bis heute auf dem Kontinent entdeckten Arten stammen aus Queensland. Eine davon, N. mirabilis, ist auch weiter nördlich auf den meisten Hauptinseln des südostasiatischen Archipels, bis hin nach China verbreitet. Die verbleibenden zwei Arten kommen nur in Australien und sonst nirgends vor. Die australischen Nepenthes spielen eine herausragende Rolle in der Entdeckungsgeschichte Queenslands. Alle drei Arten wurden erstmals von Frank Jardine beobachtet und gesammelt, der zu den ersten europäischen Siedlern auf der Cape York Halbinsel zählte. Während des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wurden elf Nepenthesarten aus der Cape Yorkregion beschrieben, allerdings werden die meisten davon heute als synonym mit N. mirabilis, oder als Varietäten dieser betrachtet. Insgesamt weiß man jedoch noch wenig über die australischen Nepenthes. Die weitverbreitete N. mirabilis kommt in ganz Nordqueensland vor, mit der südlichsten Population in der Gegend von Cairns. Der portugiesische Priester João de Loureiro beschrieb die Art 1790 als Erster unter der Bezeichnung Phyllamphora mirabilis. João de Loureiro hatte offensichtlich Herbarproben aus Vietnam untersucht, ohne lebende Exemplare gesehen zu haben, denn er deutete darauf hin, dass der Deckel beweglich wäre und sich öffnen und schließen könne. Ihren heutigen Namen erhielt die Pflanze 1916 von George Druce. Die unteren Kannen von N. mirabilis sind bis zu 16 cm lang und 5 cm breit. Das untere Drittel bis hin zur Hälfte ist eiförmig und mehr oder weniger verdickt. Darüber verengt sie sich, oft eine leichte Hüftlinie zeigend, um bis zur Kannenöffnung zylindrisch zu verlaufen. Bis zu 7 cm breite Flügelleisten befinden sich auf der Vorderseite der Falle, die gewöhnlich mit dünnen, bis zu 6 mm langen fadenförmigen Auswüchsen besetzt sind, die aber auch gänzlich fehlen können. Das abgeflachte oder auch leicht zylindrische Peristom zeigt je nach Varietät sehr unterschiedliche Durchmesser und verläuft jeweils in etwa gleich breit und fast rund um die Öffnung. Die unteren Kannen sind aufgrund der äußerst weiten Verbreitung der Art sehr verschieden gefärbt. Die meisten N. mirabilis produzieren untere Kannen, deren Äußeres rein gelbgrün ist, gelb mit roten oder violetten Sprenkeln, oder sogar völlig rötlich gefärbt. Das Innere der Kannen ist gewöhnlich blassgelb, gelblichgrün oder mitunter rot bis violett gefleckt. Das Peristom kann rein gelb, orange oder rot sein, oft mit einem dunkelvioletten inneren Rand, und der Deckel ist meistens gelb, besetzt mit kleinen violetten Sprenkeln. Bei abweichenden Varietäten können die unteren Kannen völlig blutrot oder dunkelviolett sein. Einige besitzen Kannen, die einen wenige Millimeter breiten, oft spärlich mit kurzen Haaren besetzten, leicht orange oder rötlichen Streifen auf der Außenseite, unterhalb des Peristoms aufweisen.
Die beiden endemischen Nepenthes der Cape York Halbinsel kommen in saisonal überschwemmten Sümpfen entlang des Jardine River vor. Die größere der Beiden ist N. rowanae, die zu Ehren des australischen Naturwissenschaftlers und Zeichners Ellis Rowan benannt wurde. Ihre unteren Kannen sind bis zu 20 cm lang und 15 cm breit. Das untere Viertel bis hin zu zwei Dritteln der Kanne ist breit, urnen- oder eiförmig. Darüber verengt sie sich etwas, oft mit einer schmalen Hüftlinie, und verläuft bis zur Öffnung zylindrisch. Häufig verengt sich die Kanne auch erst kurz unterhalb des Peristoms, die Größenverhältnisse der unteren Kannen sind da sehr variabel. Mitunter sind die Fallen so lang wie breit, die Länge kann aber auch dem Doppelten der Breite entsprechen. Auf der Vorderseite verlaufen bis zu 22 mm breite Flügelleisten (wenn auch nicht immer), deren fasriger Besatz (Filamente) bis zu 18 mm lang sein kann, oft sind diese Fäden jedoch auch auf höchstens 5 mm reduziert. Es wurde mehrfach beobachtet, dass die unteren Kannen Eidechsen gefangen hatten.
Alle drei Arten sind nah verwandt und bilden oft Hybriden. In manchen Populationen kann sogar die überwiegende Zahl der Pflanzen aus Hybriden bestehen, dennoch können die reinen Arten dazwischen leicht ausgemacht werden. N. tenax unterscheidet sich von den anderen beiden Arten durch die völlig trichterförmigen oberen Kannen, was bei N. mirabilis nur in Teilen der Fall ist. N. tenax kann auch durch ihre gezahnten, ledrigen Blätter mit normalerweise V-förmigem Querschnitt unterschieden werden. Sie besitzt auch oft einen selbsttragenden starren, bis zu 1m hohen aufrechten Stamm, was bei N. mirabilis und N. rowanae nicht vorkommt. N. rowanae unterscheidet sich durch ihre Blattstruktur, breite untere Kannen und der häufigen Abwesenheit jeglicher oberer Kannen. Glücklicherweise ist der größte Teil des Lebensraumes dieser drei Pflanzen geschützt und bleibt wohl auch in näherer Zukunft unbeschadet. Hinzu kommt, dass der größte Teil nur wenig kommerziellen Wert besitzt und sehr abgeschieden und unzugänglich ist. Obwohl nicht einheimische Wildschweine an den Standorten aller drei Arten sehr schwere Schäden verursachen, scheint die Zukunft der australischen Nepenthes gesichert. Alle Fotos von Stewart McPherson. |