Byblis, die Regenbogenpflanze Von Stewart McPherson, Übersetzung Siegfried R.H. Hartmeyer, veröffentlicht in DAS TAUBLATT (GFP) 2009/3:19-24 Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um
einen modifizierten Auszug aus Stewart McPhersons neuem Buch Glistening
Carnivores - The Sticky-Leaved Insect-Eating Plants, welches sowohl die
Ökologie, als auch die bemerkenswerte Vielfalt der sieben mit Klebstoff
fangender karnivoren Gattungen (Byblis, Drosera, Drosophyllum,
Ibicella, Pinguicula, Roridula, Triphyophyllum)
behandelt. Weitere Informationen gibt es im Internet unter
http://www.redfernnaturalhistory.com/books.
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Byblis gigantea am Standort in Westaustralien |
Byblis ist
die schönste Gattung der mit Klebstoff fangenden Insektivoren. Alle Arten
besitzen filigrane Blätter mit glitzernden Leimtropfen, die das Licht mit
silbrigem Glanz reflektieren, weshalb man ihnen den Namen Regenbogenpflanzen
gab. Benannt sind sie nach der griechischen Gottheit Byblis, von der Publius
Ovidius Naso (Ovid) in seinem um das Jahr Acht Anno Domini geschriebenen Werk
„Metamorphosen" erzählt. Ovid berichtet darin, dass Byblis, die
Tochter von Miletus und Tragasia aus Kreta und Enkelin des Gottes Apollo, sich
in ihren Bruder Caunus verliebte und ihm in einem Brief ihre unsterbliche
Liebe schilderte. Darin erwähnte sie auch Berichte über inzestuöse Paare
unter den unsterblichen Göttern, die ebenfalls Geschwister waren, um die
Gefühle für ihren Bruder zu rechtfertigen. Caunus war entsetzt über ihr
aufreizendes Verhalten, verließ Kreta und ließ sie dort allein. Byblis brach
das Herz, aber in ihrer Liebe zu Caunus folgte sie ihm von Karien über Lykien
nach Phönizien, wo sie um ihre verlorene Liebe trauernd, vor Verzweiflung und
Erschöpfung starb und sich als Zeugnis ihres Leids in eine ewige Fontäne aus
Tränen verwandelte. Die Gattung Byblis trägt ihren Namen, weil deren
glitzernde Blätter an die Fontäne erinnern, in die sich Byblis verwandelte. Die Gattung wurde während Käpten Cooks erster Australienreise entdeckt. Am 11. Juni 1770 lief dessen Schiff, die Barke H.M.S. Endeavour, an einer Untiefe des Großen Barriere Riffs auf Grund, worauf es mehrere Wochen dauerte, das Schiff zu reparieren. Der an dieser Stelle im heutigen Queensland (Australien) in den Pazifik mündende Fluss heißt daher nun Endeavour River (Anm. Übersetzer: Fluss der Mühsal). Die Verzögerung der Reise ermöglichte es Joseph Banks, Herman Spöring Junior und Daniel Solander, den Naturwissenschaftlern an Bord der H.M.S. Endeavour, die örtliche Flora und Fauna zu untersuchen, wobei sie für ihre Rückkehr nach England in der Umgebung viele, für die australische Pflanzenwelt typische Proben sammelten. Die H.M.S. Endeavour wurde in der Nähe des heutigen Cooktown angelandet und repariert, es war also dieses Gebiet, in welchem die drei Forscher zwischen ihren Herbarproben auch Byblis liniflora entdeckten und berichteten, dass sie an den Ufern des Endeavour River wuchs. Im Jahr 2006 reiste ich nach Cooktown, um zu versuchen, diese Originalpopulation der Byblis wiederzufinden. Trotz langen Suchens gelang es mir jedoch nicht, die Pflanzen oder überhaupt einen verbliebenen Byblis Standort zu finden. Daher sieht es so aus, als wären diese inzwischen im Gebiet von Cooktown verschwunden. Byblis liniflora wurde als erste Art der Gattung 1808 offiziell beschrieben und durch den englischen Botaniker Richard Anthony Salisbury benannt. 31 Jahre später sammelte James Drummond mit B. gigantea eine zweite Art, die 1839 von John Lindley publiziert wurde. Der Schiffsarzt und Naturwissenschaftler Benjamin Bynoe, der an Bord der H.M.S. Beagle reiste, sammelte offensichtlich 1848 Proben der dritten Byblisart, die der Botaniker Jules Émile Planchon beschrieb und B. filifolia nannte. Bis vor Kurzem ordnete man der Gattung nur zwei Arten zu, nämlich B. gigantea und B. liniflora, während die Bezeichnung B. filifolia als Synonym für B. liniflora betrachtet wurde. Neuere Untersuchungen des Australiers Allen Lowrie und Kollegen bewiesen jedoch, dass dies nicht der Fall ist und B. filifolia erhielt wieder seinen Artstatus, gemeinsam mit vier weiteren, kürzlich neu beschriebenen unterschiedlichen Arten. Anhand der jetzt gültigen Klassifizierung können die sieben Arten der Gattung in zwei Untergruppen unterteilt werden, die Mehrjährigen (B. lamellata und B. gigantea) und die Einjährigen (B. aquatica, B. filifolia, B. guehoi, B. liniflora und B. rorida). Die mehrjährigen Arten sind dabei deutlich größer und robuster als die einjährigen, allerdings muss man hinzufügen, dass unter idealen Bedingungen mitunter auch die einjährigen länger als ein Jahr überleben können. Byblis sind also krautige ein- oder mehrjährige Pflanzen, welche zierliche fadenförmige Blätter bilden, die sich zur Blattspitze hin verjüngen. Das Blattwerk sitzt lose angeordnet an einer im Allgemeinen aufrechten, manchmal auch kriechenden Rosette, die aus einem und im Fall der Mehrjährigen auch oft aus mehreren Hauptstämmen besteht. Außer Blüten und Wurzeln sind alle Teile der Pflanzen mit gestielten und aufsitzenden Drüsen besetzt. Die gestielten Drüsen erzeugen den Leim, eine klebrige wässrige Flüssigkeit und sind im Unterschied zu den meisten anderen mit Leimfallen fangenden Pflanzen farblos, was den Blättern der Byblis ihren silbrigen Glanz verleiht. |
Die glitzernden Blätter von B. gigantea |
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Die älteren der mehrjährigen Pflanzen können
aufrechte verholzte Stämmchen bilden, umhüllt vom abgestorbenen Laub. Die
Wurzeln der einjährigen Byblis sind dünn, faserig und recht filigran,
sie dienen in erster Linie dazu die Pflanzen im Boden zu verankern. Die der
mehrjährigen Arten sind dagegen fleischig, bis zu 50 cm lang und es handelt
sich offensichtlich um Speicherorgane für Wasser und Nährstoffe. Die Blüten
sitzen einzeln auf langen drüsigen Schäften, die den Blättern gleichen. Sie
bestehen aus fünf großen Blütenblättern, die sich bei den sieben Arten in
Form und Farbe unterscheiden. Diese sind 5-20 mm lang, 5-15 mm breit und
dreieckig bis fast rund. Die Ränder der Blütenblätter sind je nach Art
entweder glatt oder eingekerbt, wobei alle Arten typischerweise violette,
malvenfarbige oder lila Blüten zeigen. Allerdings sind einige Formen von B.
gigantea und B. filifolia bekannt, die eher blass lavendelfarbig bis
weiß sind, was eventuell auch für andere Arten zutreffen könnte. Die Blüte
besitzt fünf auffällig gebogene, 2-10 mm lange Staubgefäße, die leuchtend
gelbe Pollen aus einer an der Spitze liegenden Pore freigeben. Der Stempel ist
2-8 mm lang und ragt aus dem Blütenzentrum hervor, die Narbe ist schmal und
rund mit rauer Oberflächenstruktur. Die Kelchblätter sind oval bis dreieckig
und bei den meisten Arten stark mit kleinen gestielten Drüsen besetzt. Die Blüten von B. gigantea und B. lamellata (wahrscheinlich auch der meisten, wenn nicht sogar aller Byblisarten) besitzen einen „Buzz-Polination" Mechanismus (Anm. zur Übersetzung: auf Deutsch etwa Brummbestäubung), welcher Pollen nur beim Anflug bestimmter Bestäuber freisetzt, die regelmäßig die Blüten besuchen und die Pollen verlässlich an die nebenstehenden Byblis weitergeben. Es ist die tieffrequente, brummende Vibration der schlagenden Insektenflügel, welche die Pollen veranlasst, aus einer Öffnung am Ende der Staubgefäße auszutreten, am Körper des Insekts haften zu bleiben, um dann zur Narbe einer anderen Blüte zu gelangen. Dieser Bestäuber spezifische Mechanismus entwickelte sich vermutlich aufgrund der eher raren Byblis Populationen inmitten weitverbreiteter Pflanzen, deren Blüten eine ähnliche Form und Farbe besitzen. Alle sieben Arten der Gattung stammen aus Australien, wobei zumindest eine davon (wahrscheinlich B. filifolia) auch in Neuguinea vorkommt. Die mehrjährigen Byblis findet man nur in einem kleinen Gebiet Westaustraliens, in der Umgebung der Stadt Perth. Leider wurden inzwischen viele Originalstandorte der mehrjährigen Arten durch Städtewachstum und landwirtschaftliche Entwicklung zerstört, deshalb muss der Status der natürlichen Populationen dieser Arten als zunehmend besorgniserregend betrachtet werden. Die einjährigen Byblis sind über den tropischen Norden Australiens verteilt, wobei mindestens eine Art auch in Neuguinea vorkommt, und zwar sowohl in der indonesischen Hälfte der Insel (der Provinz Papua), als auch im unabhängigen Teil des Landes Papua-Neuguinea. Leider wurden alle Herbarproben von Byblis zu einer Zeit gesammelt, als man glaubte, die Gattung bestünde lediglich aus B. gigantea und B. liniflora, weshalb es immer noch nicht ganz klar ist, welche Arten dort wirklich wachsen. Berücksichtigt man die gewaltige Größe der Feuchtgebiete Neuguineas, die Abgeschiedenheit des australischen Nordens und der Cape York Halbinsel und bedenkt, wie kurz die Geschichte der botanischen Erforschung in diesen Gebieten ist, erscheint es doch sehr wahrscheinlich, dass dort weitere Byblisarten auf ihre Entdeckung warten. Hier muss man wohl zugestehen, dass sich die bekannten Wachstumsgebiete vieler einjähriger Byblis Hand in Hand mit einem zunehmenden Verständnis ihrer Verbreitung ausdehnen werden. Alle Byblisarten wachsen überwiegend in ausgelaugten, sauren und nur saisonal feuchten Böden aus torfigem Lehm oder Quarzsand. Alle sieben Arten zeigen eine klare Abneigung gegen stärker schattierte Orte und wachsen am Üppigsten und Gesündesten umgeben von lediglich niedriger Vegetation, oder auch an sonnigen, durch Abholzung oder Brände entstandenen Lichtungen. Eine typische Begleitpflanze der westaustralischen Byblis sind Grasbäume (Xanthorrhoea species). Die Lebensräume der Regenbogenpflanzen sind nur jahreszeitlich bedingt feucht bis nass und bestehen oft aus zeitweise überfluteten Bodensenken oder Sumpfrändern. Regen fällt im nördlichen Australien nur saisonal und am Häufigsten in den Sommermonaten Dezember bis April. Ganz anders in Westaustralien, wo es eine Regenzeit im Winter gibt, mit Regenfällen hauptsächlich zwischen Mai und September. Diese gebietsweise sehr unterschiedlichen Niederschläge des Kontinents bewirken, dass verschiedene Byblis je nach Standort zu sehr unterschiedlichen Zeiten wachsen. Die mehrjährigen Arten Westaustraliens treiben also hauptsächlich im Winter und Frühling der südlichen Hemisphäre, während die einjährigen im Sommer und Herbst gedeihen. Dabei überleben die Einjährigen die trockenen Monate nur als Samen, der mit dem Einsetzen der Regenzeit keimt und sehr schnell wächst. Auch die Mehrjährigen überleben die Trockenzeit als Samen, hauptsächlich jedoch als lebende Pflanzen, die entweder ganz bis auf ihre holzigen Stämme und fleischigen Wurzeln einziehen, oder durch Reduktion der Blätter die Oberfläche verkleinern, wodurch auch die Verdunstungsrate sinkt. Alle Regenbogenpflanzen (besonders die im Norden Australiens) sind im Hochsommer zeitweise Temperaturen von über 35°C ausgesetzt. Im Winter sinken die Temperaturen bei den Mehrjährigen bis etwa 5°C, während die Temperaturen selten unter 15°c sinken. Byblis gehört zu den schönsten aller Fleischfressenden Pflanzen, gleichzeitig jedoch auch zu den am wenigsten erforschten. Das Überleben dieser wunderschönen Pflanzenarten hängt von der Erhaltung ihrer empfindlichen natürlichen Lebensräume ab, sowohl in Australien, als auch in Neuguinea. Nur durch verantwortungsvolles Handeln und die entsprechenden Naturschutzgesetze werden diese einmaligen und bemerkenswerten Arten auch in Zukunft in der Natur überleben. |
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Byblis aquatica am Standort in Nordaustralien Alle Photos von Stewart McPherson. English abstract:
This article on Byblis, the rainbowplant, is a modified excerpt from Stewart McPherson’s new book Glistening Carnivores The Sticky-Leaved Insect-Eating Plants, which examines the wild ecology and remarkable diversity of the seven genera of sticky-leaved insect-eating plants (Byblis, Drosera, Drosophyllum, Ibicella, Pinguicula, Roridula, Triphyophyllum) - for more information, please see http://www.redfernnaturalhistory.com/books. |